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Stadt-Landschaft: Quedlinburg und anderswo

Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, weshalb so ziemlich alle Menschen, unabhängig von ihrem Erfahrungshintergrund und Bildungsstand, auf Stadtführungen kleinteilige Städte wie Quedlinburg, Wernigerode oder Rothenburg spontan als "schön" empfinden, während Städte aus großen Klötzen (Hamburg Speicherstadt, New York, usw.) allenfalls als imposant oder interessant angesehen werden?

Wir stammen alle von Menschen ab, die vor einhunderttausend Jahren (und Millionen Jahre zuvor) als Nomaden durch die afrikanische Savanne gezogen sind. Unsere Vorfahren mussten damals die Fähigkeit entwickeln, nahrungsreiche Landschaften intuitiv zu erkennen. Und reich an Nahrung sind vielgestaltige Landschaften - mit dicht gedrängten Hügeln, Seen; Fels, Wald und Wiese. Hier gibt es viele kleine Lebensräume in enger Folge, auf den unterschiedlichen Böden und Mikroklimaten wachsen verschiedenste Pflanzen auf engstem Raum, von denen wiederum die verschiedensten Tiere leben können. Ein paradiesisches Schlaraffenland für unsere Vorfahren!

Dahingegen bieten eintönige Landschaften - Savanne bis zum Horizont, gleichförmige Wälder - kaum Nahrung und Schutz. Wer sich hier dauerhaft aufhält, stirbt bei der nächsten Dürre oder sonstigen Krise. Das heißt, wir stammen alle von Menschen ab, die es intuitiv zu kleinteiligen, vielgestaltigen Landschaften hingezogen hat - die anderen, die es vielleicht auch gegeben hat, sind ausgestorben und konnten ihre Gene nicht an uns weitergeben.

Dieses Erbe schlummert bis heute in uns. Kinder können sich an "Wimmelbildern" nicht satt sehen. Kaum jemand kann an einem Flohmarkt vorbeigehen, ohne zu stöbern. Und Urlaub machen wir nicht in großflächigen Landschaften wie der Magdeburger Börde oder den holländischen Marschgebieten, sondern in den kleinen Tälern des Harzes oder den grünen, heckenbewachsenen Hügeln der holsteinischen Schweiz.

Und was für Landschaften gilt, gilt auch für Stadtführungen: Städte wie Quedlinburg wirken auf unser Gehirn wie die nahrungsreichen Siedlungsgebiete unserer Vorfahren - hier eine kleine Gasse, dort ein putziges Fachwerkhaus, dort ein Flüsschen, da ein Felsen mit einem verwinkelten Schloss. Unser Innerstes sagt uns: "Hier musst Du Dich aufhalten, dann geht es Dir gut!"

Leider ist die Landschaftspsychologie heute kein Thema in der Architektur. Und so werden seit hundert Jahren Generationen um Generationen von technokratischen Architekten ausgebildet, die keine Städte mehr für die Menschen bauen können, sondern nur noch reihenweise klotzartige Denkmäler für ihre eigene Eitelkeit produzieren. Und wer das kritisiert - so wie die Mehrheit der Bewohner solcher Städte - der hat eben keine Ahnung von Architektur und soll besser schweigen! Prinzip "Des Kaisers neue Kleider".

Umso wichtiger ist es, dass mit Städten wie Quedlinburg Gegenakzente gesetzt werden. Wo wir an unserem eigenen Wohlfühlen erleben, wie man für Menschen bauen kann. Und wo man auf einer Stadtführung sehen kann, wie die Liebe der Bewohner zu Ihrer Stadt das feinfühlige Bau-Empfinden vergangener Jahrhunderte nicht nur konserviert, sondern auch weiterentwickelt wird.